Link zum Artikel auf der Website des Deutschen Handballbundes
Befragt man hierzulande sportbegeisterte Menschen zum Thema Sport in Südafrika, wird garantiert als erstes die Fußballweltmeisterschaft 2010 genannt. Auch die Namen Bafana Bafana (Fußballnationalmannschaft) und Springboks (Rugbynationalmannschaft) sind vielen ein Begriff. Oder Oscar Pistorius, der erste unterschenkelamputierte Läufer, der an den leichtathletischen Wettkämpfen Olympischer Spiele teilgenommen hat. Den Älteren ist auch noch Elana Meyer ein Begriff, die als Barfußläuferin vor 20 Jahren den internationalen Mittel- und Langstreckenlauf aufmischte und 1992 die olympische Silbermedaille über 10000 Meter gewann.
Kommt allerdings die Frage nach Handball, immerhin seit 1936 olympische Sportart, herrscht Schweigen. Ebenso wird es einem ergehen, wenn man diese Frage direkt in Südafrika stellt. Kein Wunder, führt doch Handball dort ein Schattendasein wie kaum eine Randsportart in Deutschland. Zwar gibt es unter dem Dachverband SAHF in allen neun Provinzen einen Handballverband, aber an einen geregelten Spielbetrieb, wie wir ihn aus Deutschland kennen, ist nicht zu denken. Handball gehört weder im Vereins-, Schul- oder Universitätssport zu den etablierten Sportarten. Auch gibt es derzeit noch keine Trainerausbildung, so dass es oft Sportvolontäre aus dem Ausland sind, die Handball an die südafrikanischen Schulen und Universitäten bringen.
Dies zu ändern hat sich Nicola Scholl mit ihrer gemeinnützigen Organisation PLAY HANDBALL ZA auf die Fahnen geschrieben. „Um die aktuelle Lücke in der Trainerausbildung zu schließen, suchen wir qualifizierte und engagierte Handballtrainer, -spieler und Sportstudenten, die ihr Wissen und Können weitergeben möchten und für einige Monate als Sportvolontäre nach Südafrika kommen.“ Die ehemalige Bundesligaspielerin (VfL Oldenburg, SC Greven, BVB Dortmund) und 20-malige Jugendnationalspielerin kam 2009 im Rahmen eines Marketing-Praktikums nach ihrem Betriebswirtschaftsstudium erstmals nach Südafrika. Hier war sie tätig für SCORE, einer gemeinnützigen Organisation die in mehreren afrikanischen Ländern aktiv ist und versucht, mit Hilfe von Sport den Menschen eine neue Lebensperspektive zu bieten.
Durch einen Zufall, ein Volontär war kurzfristig abgesprungen, bekam sie die Möglichkeit, zweimal die Woche an der Mountview High School in Hanover Park (einem Township in Kapstadt) als Sportvolontärin tätig zu sein. „Die Arbeit war eine Herausforderung für mich, hat mir aber gleichzeitig sehr viel Freude bereitet. Ich konnte meine eigene Begeisterung für Sport weitergeben, habe aber auch viel von der Community zurückbekommen und bin persönlich daran gewachsen. Dies ist nur eines von vielen Erlebnissen, die mich letztendlich dazu motiviert haben, nach Südafrika zurückzukommen und Sport für Mädchen, und hier speziell Handball zu fördern.“
2012 war es dann soweit. Mit einem Touristenvisum kam sie im Juni zurück nach Kapstadt und machte sich gleich an die Arbeit. Als erstes galt es, ein Netzwerk aufzubauen. „Mein Ziel ist es, Partnerschaften zu bilden zwischen Menschen und Organisationen in Südafrika und dem Ausland, um Wissenstransfer anzuregen, Kulturen und soziale Grenzen zu überwinden und somit eine nachhaltige sportliche und soziale Integration zu unterstützen. Da Handball, im Gegensatz zu anderen Sportarten, gleichermaßen von Frauen und Männer in der Welt gespielt wird und keine rassistische Vergangenheit in Südafrika hat, sehe ich diesen Sport als ideales Mittel zum Erreichen meiner Ziele.“
Vor ihrer Ankunft hatte sie bereits den Deutschen Handballbund über ihr Vorhaben informiert und bei SCORE Interesse an ihrem Projekt geweckt. In Zusammenarbeit mit SCORE, dem Südafrikanischen Handballverband (SAHF) und dem Handballverband der Provinz Western Cape (WPHA) begleitete sie in der Folge Handball-Volontäre, organisierte ein Jugendhandballturnier und veranstaltete zwei Trainer-Workshops für Schulen und Gemeinden. Zudem knöpfte sie Kontakte zur Uni Köln und dem DOSB, um diese mit dem Südafrikanischen Handballverband zu verlinken. Bei der Universität von Kapstadt konnte sie erreichen, dass im Februar 2014 Handball in der Einführungswoche vorgestellt wird. Seit Januar ist die engagierte 32-Jährige Mitglied der Arbeitsgruppe zur Förderung von Frauenhandball in Afrika unter der Regie des afrikanischen Handballverband. Mit PLAY HANDBALL ZA konnte sie im Oktober nun ihre eigene gemeinnützige Organisation in Südafrika registrieren lassen. Ziel dieser Organisation ist es, ein vielfältiges, geschlechterübergreifendes und spannendes Sportumfeld für die Jugend in Südafrika zu fördern. Der Hauptfokus liegt hier beim Handball für Mädchen. Erreichen will sie dies unter anderem durch die Veranstaltung von Handball-Events bzw. die Teilnahme an Sport-Events wie dem SCORE World Aids Day Event in Railton/Swellendam.
Gerade in benachteiligten und ländlichen Gemeinden ist das Sportangebot sehr überschaubar, speziell für Mädchen. „Wir stärken Mädchen und bieten mit Handball ein Instrument, das ihnen dabei hilft, sich persönlich zu entfalten, Selbstsicherheit zu gewinnen und letztendlich ihr Leben und das ihrer Gemeinde eigenständig zu gestalten“, beschreibt Scholl ihre Vision. „Mir persönlich hat der Sport sehr viel gegeben: gute Freunde, er hat mich Teamgeist gelehrt, Verantwortung zu übernehmen, Freude und Leidenschaft, aber auch mit Niederlagen umzugehen, Disziplin und Durchhaltevermögen. Sport verbindet und integriert wie kaum eine andere Sache auf der Welt. Und dies möchte ich nutzen und weitergeben.“
Hierfür gehen sie und ihre Mitstreiter in Schulen, Universitäten und Gemeinden und präsentieren „ihren“ Sport. „Handball ist meine Leidenschaft. Ich bin Handballerin durch und durch. Handball verbindet Eigenschaften wie Passen, Laufen, Flexibilität, Körperkontakt und Spieltaktik miteinander, genau wie die beliebtesten nationalen Sportarten Rugby, Fußball und Netball. Daher habe ich schon während meines ersten Aufenthalts Potenzial für Handball gesehen. Zudem ist Handball mit wenig Aufwand leicht und kostengünstig umzusetzen, so dass auch in den benachteiligten Gegenden dieser Sport gut erschwinglich ist“, ist sie sich sicher, dass Handball eine Zukunft in Südafrika hat. „Das Gute am Handball ist, dass er praktisch überall gespielt werden kann. Man braucht nur eine freie Fläche und einen Ball, ähnlich wie beim Fußball. Es kann faktisch auf jedem Untergrund gespielt werden. Man braucht nicht zwingend ein richtiges Tor, es reichen schon Markierungen wie zum Beispiel zwei Schultaschen, ein Halbkreis davor gezogen, und schon kann es losgehen.“
Für 2014 plant sie die Ausrichtung von Street-Handball-Events. „In vielen Gegenden fehlt es an Sportstätten, da bleibt nur die Straße als Spielfeld. Mit Street-Handball sehe ich das Potenzial, den Sport im Alltag zu etablieren. Handball gewinnt an Popularität und schließt keinen aus.“ Wer sich mit der Oldenburgerin, die seit ihrem fünften Lebensjahr Mitglied beim VfL Oldenburg ist, unterhält merkt schnell, dass dies nicht nur leere Worte sind. Es ist kaum zu übersehen, mit welcher Freude und Dynamik sie bei der Sache ist, genauso wie sie früher Handball gespielt hat. Das steckt an. „Es ist wirklich verwunderlich, mit wie wenig Mitteln sie dies alles bisher geschafft hat. Aber Nico hat noch nie halbe Sachen gemacht. Was sie macht, macht sie richtig“, zollt Klaus Scholl seiner jüngsten von zwei Töchtern höchste Anerkennung. Wer Nicola Scholl und ihre Organisation PLAY HANDBALL ZA unterstützen möchte, sei es als Sportvolontär oder durch Sach- und Geldspenden, findet nähere Informationen unter www.play-handball.org.
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